Dieser Artikel beschreibt die Entwicklung der Obwaldner Alpwirtschaft. Dabei werden drei verschiedene Phasen unterschieden, in denen je unterschiedliche Wachstumsparadigmen vorherrschten. Ein Paradigma ist eine umfassende Grundstruktur, welche das Denken und Handeln in einer bestimmten historischen Epoche modellhaft beschreibt.
Die erste Phase, die bis zum frühen 19. Jh. andauerte, ist durch ein extensives Wachstum der Alpwirtschaft charakterisiert. Das heisst eine räumliche Ausdehnung der Weideflächen begleitete das Wachstum des Tierbestandes. Internationale Märkte und Handel waren im Spätmittelalter die eigentlichen Auslöser der Verlagerung vom Ackerbau zur Viehwirtschaft und ermöglichten ab dem 16. Jahrhundert ein starkes Wachstum der Alpkäserei. Das extensive Wachstum führte also zu einem Rückgang der Ackerflächen und einer Ausweitung des Wieslandes. Die Alpweiden wurden in diesem Produktionssystem zum wichtigsten Produktionsstandort der Obwaldner Landwirtschaft.
Die zweite Phase, welche dem 19. und 20. Jh. entspricht, zeichnet sich durch ein intensives Wachstum aus. Das heisst die Steigerung der Produktion wurde nicht durch eine simple Ausdehnung der bestehenden Bewirtschaftungsform erreicht, sondern durch eine massive Erhöhung der Erträge pro Hektare Weideland und pro Vieheinheit. Geländemeliorationen, intensive Düngung und Weideeinteilungen aber auch Futterimporte und Züchtung machten diese Ertragssteigerungen möglich. Neben der allgemeinen wirtschaftlichen Modernisierung sind die Anreize für diese Entwicklung auch in der produktionsfördernden Agrarpolitik und in der Industrialisierung der Käseproduktion zu finden. Dieses intensive Wachstum führte also nicht zu einer räumlichen Ausdehnung des Weidelandes an sich sondern zu einer Ausdehnung der gedüngten Fettwiesen auf Kosten der nicht gedüngten Magerwiesen. Zudem verlagerte sich die Hauptproduktion von den Alpen in die Talbetriebe, was im 20. Jahrhundert zu einer Vernachlässigung und Verwaldung weniger ertragsreicher Alpweiden führte.
Eine dritte Phase der Entwicklung scheint um die Jahrtausendwende begonnen zu haben. Das prägende Paradigma dieser Phase ist die nachhaltige Entwicklung, also das Bestreben wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien gleiches Gewicht beizumessen. Im Vergleich zu den beiden ersten Wachstumsparadigmen ist bei der nachhaltigen Entwicklung eine Umkehr der Wirkungsrichtung fest zu stellen. In den ersten beiden Phasen beeinflusste die Entwicklung der Märkte und Marktordnungen die Veränderung der Produktionsstrukturen und schliesslich der Kulturlandschaft. In der dritten Phase geht es nun vermehrt darum, die Produktionsstrukturen im Sinne der Erhaltung der Kulturlandschaft anzupassen und die entsprechenden Güter mit einem Nachhaltigkeitslabel zu vermarkten.